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      Markus Thomalla

 

Geschichte einer schlesischen Seele
Schwester Maria Dulcissima Hoffmann


      
       Das Leben der Schwester Dulcissima aus Eintrachthütte zeigt Parallelen zur Geschichte der "kleinen" Theresia von Lisieux. Das gläubige Volk vertraut ihr, das Erzbistum Kattowitz bemüht sich um die Seligsprechung.

 

       Am 18. Februar 1999 begann in der Krypta der Christkönig-Kathedrale in Kattowitz der Seligsprechungsprozess einer oberschlesischen Schwester von der Kongregation der Schwestern der Unbefleckten Maria - der Schwester Maria Dulcissima Hoffmann, ihr Taufname war Helena. An diesen Feierlichkeiten in der Christkönig-Kathedrale nahmen die Kattowitzer Weihbischöfe Gerard Bernacki und Stefan Cichy teil. Einer der ersten Schritte, den die Ordensoberinnen der Schwestern von der Unbefleckten Maria unternahmen, um die Verehrung der Schwester und den erhofften Seligsprechungsprozess zu förden, war die Übersetzung und Herausgabe des Buches eines Paters aus Wartha in Schlesien. Es handelt sich hier um das Buch "Die Kreuzesbraut" von Pater Joseph Schweter CSSR, herausgegeben in Wartha im Jahre 1945. Der Pater war eine Zeit lang Seelsorger der Schwestern in ihrem Haus in Neisse gewesen und lernte dort auch Schwester Dulcissima kennen. Er war von ihr sehr angetan.

 

       Kindheit zwischen Krankheit und Not

       Helene Hoffman, die spätere Schwester Dulcissima, wurde am 7. Februar 1910 in Eintrachthütte in der Nähe von Bismarckhütte, in einem Haus für Arbeiterfamilien (Familok) geboren. Ihr Vater Joseph Hoffmann kam gebürtig aus dem Kreise Groß Strehlitz, sprach sowohl deutsch als auch polnisch, wird von Pater Schweter jedoch eindeutig ein Deutscher genannt. Ihre Mutter Albine, geborene Jarzombek, kam aus dem nahe gelegenen Swientochlowitz. Helene war das erste Kind der Eheleute Hoffmann, nach zwei Jahren kam der Sohn Reinhold zur Welt. Ab dem Jahre 1916 besuchte sie die deutsche Volksschule in Eintrachthütte. Sie erfuhr zu Hause Liebe in ihrer Familie aber auch Strenge und manchmal Unverständnis. Die Eltern waren gläubig, tief geprägt von oberschlesischer Volksreligiosität, aber sie konnten das sehr frühe Verlangen ihrer Tochter nach intensivem geistlichen Leben oder gar Einsamkeit nicht nachvollziehen. Als Helene neun Jahre alt war starb nach kurzer Krankheit ihr Vater. Am Sterbebett gab er noch alle Wohnungsschlüssel seinem Bruder Franz und bat ihn für die verbliebene Frau und die Kinder zu sorgen. Im selben Jahre brach in der Arbeitersiedlung, in der die Familie wohnte, eine Typhusepidemie aus. Die ganze Familie musste in Notunterkünfte nach Beuthen. Als die Mutter in ihre Wohnung zurückkommen durfte, fand sie diese geplündert und beschädigt vor, das wenige Vieh, das sie in einem kleinen Stall in der Nähe des Hauses hatten, wie es in den Arbeitersiedlungen üblich war, war ausgebungert. Die Mutter fing aber mit viel Elan praktisch von vorne an. Nach einer Zeit heiratete sie den Bruder ihres verstorbenen Mannes - Franz, der die Typhusinfizierung überstanden hatte. Aus dieser Ehe wurde ein drittes Kind, ein Junge, Heinrich, geboren. Helene bekam also früh mit Leid und Schicksalsschlägen zu tun.

 

       Das Herz - eine Kapelle

       Im Jahre 1921 empfing sie ihre erste heilige Kommunion. Sehr wichtig wurde für sie der Gedanke ihres Heimatpfarrers aus dem Herzen ein "Kapellchen" für Jesus zu machen. Später, in ihrem Ordensleben, erinnerte sie sich noch an diese Gedanken, bezeichnete sie als ihre erste geistliche Formation und sah dieses Bild von der Kapelle, zu der ihr Herz werden sollte, als ein Fundament für ihr ganzes Leben an. Nach der ersten heiligen Kommunion fand sie bei einer Feldarbeit eine Medaille mit der Darstellung der heiligen Theresia von Lisieux mit einem Rosenstrauß, ohne diese Heilige allerdings noch zu kennen. Helene berichete, się habe häufiger von einer Ordensfrau, die sie zum Gebet und dem Bau des geistlichen Kapellchens anspornte, geträumt. Später habe sie in einer katholischen Zeitschrift ein Bild der heiligen Theresia von Lisieux gesehen und ihren Lebenslauf gelesen, sie hatte sich dann an die Medaille erinnert und die Gestalt aus ihren Träumen auch mit dieser Heiligen verbunden. Wenn man auch mit solchen Berichten vorsichtig umgehen muss, kann man doch feststellen, dass das Leben der Schwester Dulcissima durchaus Parallelen mit dem der "kleinen" Therese aufweist, auch sie hat keine großen Leistungen vollbracht, sie verbrachte ihr Leben im Schatten des Klosters, im Versuch, Christus immer inniger zu lieben und für ihn ein Platz in ihrem Herzen zu bereiten, sie ertrug in Geduld und Vertrauen Krankheit wie auch Schmerzen.

 

       Ein Leben ganz für Christus

       Am 5. Mai 1927 wurde się gefirmt, sie nahm den Firmnamen Theresia an. Im Jahre 1927 wurde sie als Kandidatin bei den Schwestern der Unbefleckten Maria in Eintrachthütte aufgenommen, seit ihrer Kindheit war ihr diese Kongregation vertraut. Die Kongregation wurde von einem Breslauer Priester, Johannes Schneider, im Jahre 1854 gegründet, zunächst nur zum Schutz moralisch bedrohter Mädchen, die vom Lande in der Zeit der Industrialisierung in die Städte kamen. Bischof Förster unterstützte die junge Kongregation, Kardinal Bertram gab im Jahre 1929 - nach der Teilung Oberschlesiens - die Erlaubnis im Bistum Kattowitz auch eine Provinz zu gründen. Helenes Mutter und der Stiefvater verstanden ihren Entschluss nicht. Helene schrieb selbst, ihre Eltern haben ihr leid getan, als sie ihre Sorge sah, aber der Ruf zum Leben ganz für Christus sei stärker gewesen. Sie arbeitete in der Zeit der Kandidatur in einem Kindergarten in Eintrachthütte und in einem Krankenhaus in Schoppinitz. Im Jahre 1928 wurde sie Postulantin in Breslau. Kurz nach dem Eintritt in den Orden traten bei ihr Krankheitserscheinungen auf, der Grund dafür war wahrscheinlich ein Gehirntumor. Im Jahre 1929 konnte sie aber trotz der Krankheit mit dem Noviziat in Neisse beginnen. Wegen ihrer Krankheit wurde sie ins Mutterhaus nach Breslau gebracht. Im Jahre 1932 hielt sie ihre Exerzitien vor den ersten Gelübden im Bett, im April legte sie trotz der Krankheit ihre ersten Gelübde ab, sie vollzog auch die "vollkommene Weihe an Jesus durch Maria". Wegen des schlechten Gesundheitszustands wurde sie in keinem karitativen Dienst eingesetzt, sondern blieb im Hause in Neisse, wo sie auch ihre Gelübde abgelegt hatte. Sie verlor oft das Bewusstsein und hatte Krämpfe, sie trug geduldig ihr Leid und wenn sie jemand ums Gebet bat, opferte sie ihr Leid in dieser Intention auf. Oft konnte sie in der Nacht nicht schlafen, ein Beistand war für sie Schwester Lazaria Stefanik. Eine Zeit lang, als ihr Gesundheitszustand besonders schlecht war, verbrachte sie in der heimatlichen Eintrachthütte drei Tage bei ihrer Mutter und drei Monate im dortigen Kloster. Danach wurde sie zusammen mit ihrer Betreuerin, Schwester Lazaria, in das Kloster in Hohenbirken an der Oder, nahe bei Ratibor, allerdings schon im Bistum Kattowitz, versetzt. Ihre Krankheit, darunter auch die eine Zeit lang andauernde Lähmung der linken Hand und der Zunge, hatte sie besonders für die Priester aufgeopfert. Angesichts der immer unruhigeren politischen Situation in Europa bat sie ihre Mitschwestern um den Frieden zu beten, sie sprach von einer Zeit, die ansteht, in der in Europa "viel Blut" fließen werde.

 

       Geistliche Kindschaft

       Im Jahre 1935 legte Schwester Dulcissima ihre ewige Profess ab. Nach dem Beispiel der heiligen Theresia von Lisieux versuchte sie, die geistliche Kindschaft, Einfachheit und möglichst großes Vertrauen im Glauben zu leben. Ihre Schmerzen wurden immer größer, Schwester Lazaria schenkte ihr eine Krücke, da się Schwierigkeiten mit dem Gehen hatte. Sie wurde allerdings im Orden und auch unter den Menschen im Dorf zunehmend geachtet, ihr Gebet in den verschiedenen Anliegen, die ihr anvertraut wurden, soll oft erhört worden sein, unter anderem das Gebet für eine Novizin, die plötzlich wieder gesund wurde, obwohl die Ärzte schon eine Operation für nütig hielten.

       In der Fastenzeit 1936 hatte sich der gesundheitliche Zustand der Schwester weiter verschlechtert. Ostern 1936 verbrachte sie nur noch im Bett, sie unterhielt sich noch kurz mit Schwestern aus beiden Provinzen, die das Haus besuchten, sie konnte trotz ihres schweren Zustandes problemlos deutsch und polnisch mit den Schwestern reden und nach Bedarf in die eine oder andere Sprache wechseln. Sie betete viel für die Seelen. Am Herz-Jesu-Freitag, dem ersten Freitag im Mai, war sie nicht mehr ganz bei Bewusstsein, doch am 12. Mai konnte sie noch ihre letzte heilige Kommunion empfangen. Am 17. Mai sagte sie noch: "Jesus ist immer bei mir. (...) Ich gehe nach Hause". Sie starb einen Tag später, am 18. Mai um 5.30 Uhr, die Glocken läuteten gerade zum "Angelus". Viele Menschen aus dem Dorf sind an ihren Sarg gekommen, berührten sie und beteten auf ihre Fürsprache. Sie wurde am 22. Mai 1936 am alten Friedhof in Brzezie (Hohenbirken) beerdigt.

 

       Verehrung bis heute

       Auf ihrem Grab werden bis heute viele Blumen und Kerzen hingestellt. Am 26. Mai 1996 wurde in der Pfarrkirche von Hohenbirken eine Heilige Messe anlässlich des 120. Todestages von Pfarrer Schneider, dem Gründer der Schwesternkongregation der Unbefleckten Maria, wie auch des 60. Todestages von Schwester Dulcissima gefeiert. Der Hauptzelebrant war Weihbischof Gerard Bernacki aus Kattowitz. Nach der Messe versammelten sich alle am Grab von Schwester Dulcissima. Am Grab dieser einfachen Schwester beten Bischöfe und die Pfarrangehörigen von Hohenbirken wie auch Auswärtige, Kommunionkinder und Ordensschwestern, noch lebende Verwandte der Schwester und die Leitung des Kattowitzer Priesterseminars. Die Schwestern der Unbefleckten Maria berichten von Gnaden, die Schwester Dulcissima ihnen erbeten habe, was się im Alltag spüren würden. In der Gegend von Hohenbirken sei es üblich geworden, wie das dortige Pfarrblatt berichtet, dass die Menschen vom Grabe der Schwester etwas Erde mitnehmen, wenn sie in schwierigen Lebenslagen ihre Heimat verlassen müssen. So sei es in der Zeit des Krieges gewesen, auch nach dem Krieg und es sei noch heute so, wenn die Menschen die Heimat verlassen, urn nach dem Westen umzusiedeln oder eine längere Reise zu unternehmen.

       Pater Schweter schrieb im Vorwort zu seinem Buch über die Schwester: "Eine Seele von tiefer Demut und Bescheidenheit sagte viel Erbauliches über die Theologie und die Kirche."

       Schwester Maria Dulcissima Hoffmann schreibt in einem ihrer Gedichte:

Ich sage alles, was fehlt,
Was gut und was schlecht,
Nur Ihn zu verstehen,
Kann ich nicht gut.

Hilf, Heiland, bitte,
Dass ich verstehe,
Wie ich ertragen alles soll,
Dir zu Ehren.

Und Du, meine
Wegweiserin Maria,
Meine Beschützerin sei,
Hilf mir zu sammeln,
Hilf mir zu bauen.

 

Markus Thomalla           

 

 

 


 
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